Gebrauchte Tage…

Es gibt so Tage, die braucht man einfach nicht. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht irgendwann sonst.

Die zweite Januarwoche begann eigentlich ganz vielversprechend: mit einem überraschenden freien Tag. Doch dann kam die Nachricht, dass mein Vater ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Nach zwei Anrufen dort war ich noch ganz guter Dinge. Klar, mein Vater ist mit 81 nicht mehr der Jüngste, aber für sein Alter immer noch ziemlich gut drauf und relativ fit. Trägt jeden Tag die Zeitung aus, versorgt sich, das Haus und den Garten, fährt quer durch das Bundesland um die Familie zu besuchen und spielt Chauffeur für die Enkel. Natürlich ist er auch mal krank, aber wer ist das nicht. Nun hatte ihn wieder seine jährliche Bronchitis erwischt und – ein wenig altersstarrsinnig ist er ja dann doch – er dachte das geht von allein weg. Tut es ja sonst auch. Ging es aber nicht und sein Nachbar hat ihn dann zum Arzt gefahren – der ihn dann postwendend hat einliefern lassen…
Am späten Nachmittag wurde es dann dramatisch. Meine Schwester rief mich an und meinte, wir müssten Entscheidungen treffen. Über lebensverlängernde Maßnahmen und dergleichen. Denn unser Vater hatte einen Herzstillstand. Er wurde zwar reanimiert, aber er stünde weiter auf der Kippe. Genaueres wusste sie nicht, denn die Ärztin war in Eile und auch nicht gut zu verstehen und überhaupt war im Krankenhaus eh schon die Hölle los.

Wir haben also entschieden. Wir brauchten darüber nicht lange diskutieren, denn – egal wie scheiße schwer Entscheidungen dieser Art auch sein mögen – wir sind uns da ziemlich einig.

Während wir gedanklich in der Nacht schon eine Beerdigung geplant und ein Haus leer geräumt haben, bekam unser Vater erstmal einen behelfsmäßigen Schrittmacher angebaut. Bei Notfällen muss man als Angehöriger nichts entscheiden, da machen die einfach…

Als wir ihn am nächsten Tag ins Krankenhaus kamen wurden wir auf der Intensivstation mit den Worten „erstmal herzliches Beileid“ begrüßt. Glücklicherweise war das eine Verwechslung und zwei Minuten später saßen wir bei unserem Vater am Bett, der uns munter erzählte, dass er am nächsten Tag einen Termin beim Augenarzt hätte und wir da doch bitte anrufen und seinen Termin verschieben mögen. Den Termin bei einem anderen Arzt am Freitag könne er aber problemlos wahrnehmen.
What? Bei meiner Schwester pulsierte schon die Halsschlagader während ich einfach in mich hineingrinste und „typisch Papa“ dachte.

Nach fünf Tagen Intensiv- und ein paar Tagen Normalstation wurde er vom Krankenhaus direkt in eine dreiwöchige Reha nach Bad Salzuflen befördert, wo sie ihn wieder so weit aufgepäppelt haben, dass er nun wieder allein zu Hause zurecht kommt.

Ich bin dankbar dafür, dass meine Schwester und ich uns in so vielen Dingen einig sind, obwohl wir an sich total unterschiedliche Charaktere sind, und ich bin dankbar für den Unterschlupf, den Big mir im Büro gewährt, und für die stumpfsinnige (aber nicht weniger wichtige) Arbeit, mit der er mich zur Ablenkung versorgt hat. Sein Kaffee ist nach wie vor schlecht, aber immerhin fertig und heiß wenn ich komme.

Trotzdem brauche ich so eine Erfahrung nicht so schnell wieder.
Danke.

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