In grauer Vorzeit hatte ich schonmal einen Blog, der eines Tages unerwartet abgeschaltet wurde (DSGVO, danke für GAR NICHTS). Dank hilfreicher Tipps anderer Betroffener konnte ich ein bisschen davon retten. Dieser Beitrag ist zum Teil (dem kursiv gedruckten) aus dem Jahr 2015
Heute früh las ich beim Durchblättern meines Notizbuches den Satz „Was du liebst, lass frei“ und da ich gerade in die Fastenzeit gestartet bin und es da ja auch um Verzicht und „Loslassen“ geht, fand ich das ein gutes Thema über das ich heute nachdenken könnte.
Man braucht diesen oder ähnliche Sätze ja oft wenn es um Kinder geht. Darum, dass man nicht wie eine Glucke auf ihnen sitzen sondern ihnen die Möglichkeit geben soll, eigene Erfahrungen zu machen, selbst wenn man dabei hin und wieder auf die Nase fällt. Klar möchte ich Menschen, die ich liebe, Kummer ersparen, aber wie sollen wir denn stark werden, wenn wir nicht lernen, schwere Situationen zu meistern oder mit Niederlagen umzugehen? Ich bin in meinem Leben mittlerweile so oft auf die Fresse gefallen, dass ich es weder zählen kann, noch möchte. Aber jedes Mal, wenn ich am Boden liegend heulend die Welt, das Leben, die anderen oder mich selbst verfluchte, ich hatte immer die Gewissheit, dass alles gut wird – wenn auch nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte. Wobei es natürlich hilft, jemanden im Hintergrund zu wissen, der dir Trost spendet oder dir den, manchmal nötigen, Tritt in den Hintern verpasst um wieder aufzustehen. Also Loslassen ja, allein lassen- nein.
Es heißt auch, dass man die Dinge verschenken soll, die man selbst gerne hätte. Aber warum ist das so schwer?
Vielleicht, weil man sich oft durch das definiert, was man besitzt oder geleistet hat. So wie es auch schon mal in der Werbung gezeigt wurde „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ …. mein Doktortitel…. meine wohlerzogenen und intellligenten Kinder… und so weiter. Letztendlich sind wir Menschen oft so krass oberflächliche Wesen, dass wir es selbst kaum bemerken. Aber unsere erste Wahrnehmung ist in der Regel das, was wir sehen und auch, wenn wir eigentlich wissen (sollten) dass der Mensch mit dem tollen Haus, dem schnellen Auto und den wohlerzogenen Kindern auch ein unsympathischer Vollidiot sein kann, müssen wir das oft schmerzhaft lernen. Während der Typ mit den zerfledderten Klamotten, der sich mit Hilfsjobs über Wasser hält, uns mühsam beweisen muss, dass er doch zu etwas taugt.
Vielleicht ist es aber auch nur Gewohnheit. Wir halten an Dingen fest, weil wir zu faul sind, sie zu ändern. Oder auch zu feige. Wer kann schon genau sagen, wo das eine aufhört und das andere anfängt.
Zum Beispiel in Beziehungen, seien es nun Partnerschaften oder Freundschaften. Man erhält sie aufrecht obwohl sie schon lange nicht mehr in der Form existieren wie sie einmal waren oder wie wir sie gerne sehen würden. Was uns hier am meisten zögern lässt, ist die Angst vor dem „danach“. Wenn man einen großen Freundeskreis hat, ist es vielleicht nicht ganz so schwierig, auf eine Person zu verzichten, weil man sich irgendwie auseinanderentwickelt hat, denn da sind ja noch die anderen. Aber wenn man sich von seinem Partner/seiner Partnerin trennt, was kommt dann? Was denken die anderen? Sind meine Freunde danach noch meine Freunde? Und, was besonders Frauen betrifft die sich im Lauf der Beziehung zugunsten der Familie eingeschränkt haben: wo soll ich denn hin? Ich meine, wenn man sich keine Wohnung leisten kann oder keine findet, wer möchte denn seinen Freunden (mit ihren eigenen Familien) zur Last fallen oder zurück ins Elternhaus (sofern es noch existiert und Platz vorhanden ist) um dort täglich an sein eigenes Scheitern (denn so fühlt es sich oft an) erinnert zu werden. Und sich gleich von dem/der nächsten abhängig machen? Auch keine gute Idee. Also wählt man die Alternative „aushalten“, denn „so schlimm“ ist es ja eigentlich nicht.
Natürlich geht das auch mit materiellen Dingen. Warum bewahre ich meine Boygroup-Poster & Bravoartikelsammlung zwei Jahrzehnte fein säuberlich eingeheften in Aktenordnern auf die in meinem Regal vollstauben und Platz wegnehmen? Weil sie mich an eine Zeit erinnert in der ich jung, unbeschwert und das Leben unkompliziert war (mal abgesehen von Jungs)? Aber die Erinnerung verschwindet doch nicht, nur weil man einen Haufen Altpapier entsorgt. Vielleicht wird sie ein wenig tiefer vergraben in den Millionen anderer Erinnerungen in meinem Kopf, aber wer sollte sie mir denn wegnehmen? Ich habe mit mittlerweile neben der Boygroup-Sammlung von gefühlt zwei Tonnen Fotos und anderen Erinnerungspapieren getrennt. Es geht mir gut damit. Mit jedem Papierkorb, den ich in die Tonne leerte, fühlte ich mich leichter.
Warum sammeln wir diesen ganzen Ballast an? Warum fällt es uns so schwer uns mit dem zu begnügen was wirklich wichtig ist? Essen, ein Dach über dem Kopf, Freundschaft/Familie? Sich mit schönen Dingen zu umgeben beruhigt. Ich habe irgendwann mal gelesen, dass wir Dinge ansammeln, damit wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen müssen. Vorzugsweise mit unseren vermeintlichen Mängeln und Sachen, die uns Angst machen.
Alles was wir ansammeln, bremst uns aus. Das fängt ja schon beim eigenen Körpergewicht an. Je mehr man wiegt umso schwerer fallen einem manche Dinge. Es ist doch unbestritten, dass man mit einer Joey-Kelly-Statur schneller läuft als mit der von Ottfried Fischer. Allein schon aus physikalischen Gründen. Schwungmasse, Erdanziehungskraft und so weiter.
Wenn ich ein ganzes Haus voller Krempel habe, kann ich nicht spontan beschließen, in einen Bauwagen zu ziehen ohne mich von 85% meines Besitzes zu verabschieden. Dabei weiß ich sehr genau, dass ich nicht viel brauche. Ich habe Urlaub in einem Wohnwagen gemacht und mir hat so gut wie nichts gefehlt. Außer W-Lan und ein paar Kleinigkeiten. Ich will diesen Ballast nicht mehr, aber ich tue mich schwer, mich davon zu trennen. Warum?
Wahrscheinlich aus denselben Gründen aus denen ich so lange kein Freund von weißen Wänden war. Sie sind leer, weiß, langweilig, unberührt. Wie so ziemlich alles was mir irgendwie unheimlich ist, wo die Welt doch groß und bunt ist und voller Abenteuer steckt.
Was meint ihr?