Fernstudium #1: (Wieder) Studentin

Hurra, ich bin (wieder) Studentin!

Als ich gestern den Briefkasten öffnete, fiel er mir mit einem Haufen Werbung entgegen. Der Brief von der FernUniversität in Hagen. Inhalt: mein Zulassungs-/Immatrikulationsbescheid. Nach einer Pause von 6 Jahren bin ich nun also wieder Studentin.

Studiengang: Bachelor of Arts Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft, Soziologie.

Yay.

Aber wie bin ich auf die (bescheuerte?) Idee gekommen, mir, neben 3 Jobs, Mann, Haus, Hund und einem Haufen anderer Ideen im Kopf, wieder ein Fernstudium anzutun?

Lange Geschichte.

Studieren wollte ich schon immer. Dabei ging es mir nicht darum, einen besonders gut bezahlten Job zu finden oder „etwas Besseres“ zu sein. Ich bin gerne zur Schule gegangen, Lernen hat mir Spaß gemacht (wobei sich das leider nicht immer in meinen Noten widergespiegelt hat) und ein Studium hätte mir noch ein paar Jahre schulbankähnliches Lernen ermöglicht. Doch zum „richtigen“ Abi hat es am Ende nicht gereicht und nach der Fachhochschulreife war ich zu feige, um zum Studium loszuziehen, mal abgesehen davon, dass ich nicht wusste, wie ich das hätte finanzieren sollen. Abgesehen davon hatte ich zu dem Zeitpunkt schon eine eigene Wohnung und ich mochte es wirklich, selbständig und unabhängig zu sein.

Durch einen Umzug und dem damit verbundenen Mangel an einem passenden Vollzeitjob, arbeitete ich schließlich Teilzeit und hatte somit eine Menge freier Zeit. Natürlich hatte ich kein Problem damit, mich zu beschäftigen, ich hatte jedoch das Gefühl, etwas mit Mehrwert tun zu wollen. So bin ich bei der FernUniversität in Hagen gelandet. Meine Schulbildung war ausreichend, es gab die Möglichkeit, sich als Teilzeitstudierende einzuschreiben und dort wurden keine horrenden Monatsbeträge verlangt. Mein erster Impuls war, mich für Wirtschaftswissenschaften einzuschreiben, ich erinnerte mich allerdings daran, dass ich in dem Bereich zwar ganz gut in der Schule war, es mich aber nicht vor Begeisterung aus den Socken gehauen hatte. Also entschied ich mich für das, was mich interessierte: Politik und schrieb mich in den Bachelorstudiengang Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft, Soziologie ein.

Hochmotiviert stürzte ich mich ins Studium und lernte schnell die Tücken eines Fernstudiums kennen. Sechs Wochen am Anfang des Semesters und die letzten vier Wochen vor der Prüfung war ich sehr diszipliniert. Dazwischen eher weniger. Fakt ist, dass man beim Lernen zu Hause durch so viele Dinge abgelenkt wird.

Aber ich hatte mir ein Ziel gesetzt: bestehen. Ob mit einem sehr gut oder einem ausreichend war mir egal. Denn mir war klar, dass eine Prüfungsnote nichts darüber aussagt, was ich gelernt habe. Zumindest nicht für mich und das war ja das, worum es mir ging. Ich wollte keinen Einserabschluss für einen guten Job. Ich musste niemandem etwas beweisen. Ich wollte etwas lernen. Ich wollte zumindest versuchen, mir den Traum eines Studienabschlusses zu erfüllen. Und wenn es nicht klappte? So what, dann hatte ich es wenigstens versucht.

Im ersten Semester schrieb ich eine Hausarbeit im Modul „Einführung in den Studiengang“ und eine Klausur in „Grundstrukturen der Politik I: Regieren im nationalen und internationalen Kontext“. Die Hausarbeit war okay, die Klausur… Puuh. Da saß ich vor dem Papier und in meinem Kopf herrschte nichts als Leere. Als die Klausur geschrieben war, war ich mir ziemlich sicher, dass ich im nächsten Semester noch einmal das „Vergnügen“ haben würde. Aber ich kam durch.

Im zweiten Semester quälte ich mich durch die „Geschichte von Herrschaft, Staat und Politik“. Lasst mich dazu anmerken, dass Geschichte in der Schule nicht mein Lieblingsfach (und in der Oberstufe das mit den meisten Fehlstunden) war. Gefühlt wusste ich alles über den 2. Weltkrieg und es hing mir aus den Ohren raus. Um irgendwie an Motivation zu gelangen, belegte ich in diesem Fach ein Präsenzseminar bei Prof. Dr. Peter Brandt und zwei weiteren Dozenten. Mein erstes Highlight in diesem Studium. Plötzlich machte Geschichte Sinn und Spaß und ich hatte wieder Bock auf dieses Fach (sollte ich jemals den Bachelor schaffen, stünde ein Master in Geschichte zur Debatte).

Durch eine Umstrukturierung des Studiengangs schrieb ich noch Klausuren in „Grundstrukturen der Gesellschaft“ und „Grundstrukturen der Verwaltung“ bevor das Grundstudium beendet war und ich mich endlich mit den interessanten Themen beschäftigen durfte.

Zum Beispiel mit „Analyse und Theorien internationaler Beziehungen“. In diesem Bereich gab es von dem Dozenten Dr. Martin List in jedem Semester ein Präsenzseminar – wofür ich mich direkt anmeldete. Beste Entscheidung überhaupt. Im Seminar BRIC 4 ging es um „Russland in der internationalen Politik“ und sobald der organisatorische Teil abgehakt war und es zum Thema überging merkte man eines: Herr List brennt für das, was er tut. Er vermittelt eine derartige Begeisterung an seinem Fachbereich, dass es ansteckend ist. Nach zwei Stunden hatte ich Kopfschmerzen und meine Kapazitäten für die Aufnahme neuer Informationen waren nahezu erschöpft, aber ich hörte ihm das ganze Wochenende gerne und hochkonzentriert zu. Und auch im übernächsten Semester als ich nur aus Interesse auch am Seminar „Die VR China in der internationalen Politik“ besuchte.
Ach ja, die Klausur habe ich auch bestanden.

Dann musste ich mich durch ein Pflichtmodul in Statistik „Methoden und Analyseverfahren – Quantitative Methoden“ quälen. Ja, ich habe mich sehr gequält. Trotz eines Einführungsseminars habe ich kaum etwas verstanden, genauer gesagt Bahnhof, und die Skripte waren für mich böhmische Dörfer. Tja, das war’s dann wohl mit dem Studium.
Was tut man, wenn man verzweifelt versucht etwas zu verstehen, wovon mein keine Ahnung hat? Man öffnet Youtube. Dort fand ich einen Statistiktutor, der seine wöchentlichen Vorträge aufgezeichnet und ins Netz gestellt hat. Es sah dem, was in meinen Skripten stand, sehr ähnlich und – was ich super fand, er erklärte sehr gut und erwähnte auch gleich, was man sich nicht merken musste. Statistik war plötzlich so easy. Ich hatte noch drei Wochen bis zur Klausur, war davon glücklicherweise zwei krank zu Hause so dass ich lernen konnte und… bestand.

Tja, danach war mein Zeitmanagement noch miserabler und ich studierte noch bis zum SoSe 2015 ohne Prüfung, dafür aber mit einem weiteren Seminar bei Herrn List zum Thema „Grundprobleme in der inernationalen Politischen Ökonomie“ im Modul „Konflikt und Kooperation in den internationalen Beziehungen“. Als er mich sah, lachte er und erklärte den anderen Teilnehmern, dass ich Wiederholungstäter sei, dem ich ein ehrliches „aus Überzeugung“ hinzufügte.

Schweren Herzens, aber mit einer enormen Portion Realismus, brach ich das Studium ab, auch wenn ich gedanklich nie so richtig damit abschloss. Leicht erkennbar daran, dass ich bis dieses Frühjahr sämtliche Skripte aufbewahrt hatte bevor ich sie in einem Anflug von Entrümpelungswahn entsorgte.

Und jetzt?

Durch einen Zufall konnte ich im letzten Semester an einer offenen Ringvorlesung an der TU Dortmund teilnehmen und dann meldete sich plötzlich wieder die Stimme in meinem Kopf, die mich daran erinnerte, wieviel Zeit ich gerade wieder habe und dass ich das doch nochmal versuchen könnte, das mit dem Studieren.

Also wurstelte ich mich im Juli durch das online-Formular der Fernuni und wartete dann auf eine Rückmeldung. Bis gestern.

Doch auch wenn ich mich riesig freue, es begleiten mich natürlich auch Zweifel bei der ganzen Sache. Ich bin nämlich einer der undiszipliniertesten Menschen, die ich kenne. Dazu graut es mir vor müdlichen Prüfungen und ich habe keinen Plan davon, wie man ein Thema für eine Hausarbeit findet und es so weit eingrenzt, dass es auf die vorgegebene Seitenzahl passt. Und leider ist bei den restlichen Modulen, sie mir zum Abschluss fehlen, je nachdem was ich wähle, nur noch 0 bis 1 Mal eine Klausur drin.

Aber wie so oft im Leben, halte ich mir auch hier vor Augen, dass man gerade die Dinge am meisten bereut, die man NICHT getan hat. Sollte ich also am Ende scheitern, habe ich es wenigstens versucht. Klar, ein Studienabschluss ist mein Traum, allerdings geht es mir immer noch hauptsächlich darum, zu lernen und ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem ich oft schmerzlich lernen musste, dass sich nicht alle Träume erfüllen. Das Wichtigste ist, dass man es versucht und nicht bei der ersten Hürde aufgibt (dann wäre ich nämlich schon beim Online-Formular ausgestiegen. Das hat mich mit meinem Lebenslauf echt Nerven gekostet.).

Jetzt heißt es also noch etwas warten (auf die Skripte) und dann geht es wieder los. Ich starte mit den Modulen P3 „Konflikt und Kooperation in den internationalen Beziehungen“ und S3 „Mikrosoziologie: Strukturen und Prozesse der Familie, Verwandtschaft und Gemeinschaft“ und hoffentlich in naher Zukunft wieder einem Präsenzseminar bei Herrn List. Allein das ist es schon Wert, wieder zu studieren.

Die Reaktionen auf diesen Entschluss waren bislang positiv, allerdings weiß die Familie noch nicht Bescheid, die hauen nämlich grundsätzlich erstmal was Demotivierendes raus bevor ihnen einfällt, dass es doch eigentlich was Gutes ist. Mit viel Unterstützung von hier kann ich also nicht unbedingt rechnen. Aufhalten lasse ich mich aber trotzdem nicht.

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