Alles auf Anfang…

Als ich zum Wintersemester 2021/22 mein Studium an der Fernuni wieder aufnahm weil ich, wie ich feststellte, ja doch recht viel Freizeit habe und diese mit etwas Sinnhaftem füllen wollte, fühlte sich das anders an. Ich schob das auf die lange Pause, denn für Politik interessiere ich mich ja nach wie vor, und darauf, dass ich mich da auch erst wieder reinfinden müsste. Doch als ich durch diverse Umstände mal wieder mein Leben neu sortieren musste und mir somit auch Gedanken über die Zukunft machte, setzte sich der Satz „alles hat seine Zeit“ in meinem Kopf fest. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es Zeit für etwas Neues ist. Dass ein Hobbystudium vielleicht gerade nicht das ist, was ich brauche. Sondern etwas mit einer reellen Perspektive.
So weit, so gut, aber welche Perspektive? Es hat mich ein paar Stunden Recherche auf der Homepage der Fernuniversität und noch mehr Stunden nachdenken gekostet bevor ein „mach das doch“ von Big mir den Schubser gab, den ich noch brauchte. Ich belegte für das Wintersemester 2022/23 zwei Module des Faches Wirtschaftswissenschaften, plus einen Brückenkurs zur Auffrischung meiner nicht vorhandenen Mathefähigkeiten. Schon als ich letzteren wenig später (weil semesterübergreifend) in den Händen hielt und durchblätterte, streifte mich der Hauch eines Zweifels. Schaffe ich das? Beinahe im selben Moment lehnte ich mich entspannt zurück und dachte „erstmal cool bleiben und machen“. Fünf Kurseinheiten und fünf zugehörige Einsendearbeiten die mir zeigen würden, wo meine Stärken und Schwächen liegen.

Nach dem Entschluss hatte ich das Sommersemester in Gedanken schon abgehakt. Hoch motiviert stürzte ich mich auf Mathe. Verstand erstmal nur die Hälfte, fand Aussagenlogik nicht immer logisch und konsultierte meinen Lieblingsmatheprof auf Youtube.
53/100 Punkten bekam ich für die Einsendeaufgaben der ersten Kurseinheit. Naja, noch gewaltig Luft nach oben, aber hey, alles was über 50 Punkte ist, ist bestanden. Der erste Schritt war erfolgreich getan.
Die zweite Kurseinheit wirkte auf den ersten Blick simpel, doch dann kamen die Umformungen, Logarithmen (und ich könnte schwören, damit noch nie in meinem Leben gerechnet zu haben) und ich träumte nachts von Matheformeln. Die Einsendearbeit brachte 87/100 Punkten – BÄMM – offenbar bin ich doch nicht so ganz unbegabt, was Mathe angeht.
Kurseinheit drei hatte es dann mal so richtig in sich – anderthalb Stunden vor Abgabeschluss eingereicht und noch im Korrekturprozess…

Vor einer Woche startete die offizielle Bearbeitungszeit für das Wintersemester. Ich habe einen 6wöchigen Lernplan aufgestellt (dem ich schon hinterherhänge) und sitze täglich am Schreibtisch. Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Mathe und bald kommt Statistik hinzu. In meinem Kalender stehen diverse Mentoriate, die mir als Ziel für die zu bearbeitetenden Abschnitte dienen und mir dann hoffentlich dabei helfen, Unklarheiten zu beseitigen und klausurrelevantes von weniger klausurrelevantem zu unterscheiden. Denn noch habe ich das Gefühl, ich müsste jede einzelne Seite verstehen und auswendig lernen und frage mich bei diesem Gedanken jedes Mal, wie zum Teufel ich das alles in meinen Kopf kriegen soll.
Mein Motivationslevel ist hoch. So hoch, dass es mir schwer fällt, Pausen zu machen. Das führt jedoch dazu, dass ich mein Hirn vollstopfe bis ich nicht mehr aufnahmefähig bin und trotzdem versuche, noch mehr da reinzubekommen. Suboptimal, aber ich arbeite dran.

Ich bin 44 Jahre alt. Warum tue ich mir das an?
Weil ich Träume habe. Weil ich noch nicht angekommen bin. Weil ich gerne dazulerne. Weil ich Zusammenhänge verstehen möchte.

Ich stelle mich nicht hier hin und behaupte, dass ich hier mit Vollgas durchrenne, Bestnoten nach Hause bringe und nach dem Studium eine rasante Karriere als wasweißichwas machen und einen Haufen Kohle verdienen werde. Ich teste meine Grenzen.
Natürlich habe ich Zweifel und das nicht gerade wenig, auch wenn ich die immer wieder so weit wie möglich wegschiebe. Und es ist auch nicht hilfreich, dass als Reaktion eher Unverständnis als Rückenwind kommt. Es ist einfach so scheiße anstrengend ein Einzelkämpfer zu sein. Aber es gibt auch diese kleinen Momente die mir das Gefühl geben, auf dem richtigen Weg zu sein. Hilfsangebote die ich nicht erwartet habe, Motivationsschübe durch den Austausch mit anderen ü30/ü40 Studenten oder auch die imaginäre Glühbirne, die plötzlich über meinem Kopf leuchtet wenn ich vermeintlich komplizierte Dinge verstanden habe. Matheaufgaben, die einen Sinn machen, weil sie etwas aus dem „realen Leben“ erklären…

Ich bin gespannt, wohin dieser Weg mich führt…

Thank you for everything…

oder: Abschied von meiner Lieblingsband Sunrise Avenue (Teil 2)

Eine seltsam normale Woche nach Hamburg sitze ich wieder im Zug. Dieses Mal geht es nach Köln, die Stadt, bei der sich die Einfahrt in den Bahnhof immer ein bisschen wie nach Hause kommen anfühlt. Es ist wieder ätzend heiß, aber meine Vorfreude ist riesig. Ich habe ein günstiges Zimmer mit Hinterhofcharme in Köln-Kalk gebucht, 20 Minuten zu Fuß zur Lanxess Arena. Die Halle ist ausverkauft und obwohl mein Platz beinahe gegenüber der Bühne liegt, bin ich nicht so weit weg wie befürchtet, denn die Arena ist hoch. Schon während wir auf die Vorgruppe Cyan Kicks warten, spüre ich die besondere Atmosphäre. Es ist nicht das Kribbeln des ersten Mals wie in Hannover, es ist auch nicht die Partystimmung wie in Hamburg. Es ist anders.
Köln ist die Stadt, in der die Band ihren allerersten Auftritt in Deutschland hatten. Im Club Underground. Köln ist auch die Stadt, in der ich die meisten meiner Sunrise Avenue Konzerte besucht habe. Vier werden es mit diesem sein.

Als der Countdown beendet ist und der Vorspann auf der Leinwand läuft, erheben sich die ersten von ihren Sitzen und spätestens, als Samu Haber die Bühne entert, sitzt hier niemand mehr. Sunrise Avenue lieben Köln und das Kölner Publikum liebt zurück. Es ist das bislang emotionalste Konzert der Tour, zumindest von denen, die ich besucht habe. Samu bat für den verstorbenen Booker der Band statt um eine Schweigeminute darum, einmal so laut wie möglich zu sein und bei „Fairytale gone bad“ durften wir die Reunion mit dem ehemaligen Gitarristen Janne Kärkkäinen miterleben, der sich Köln für seinen Auftritt in Deutschland ausgesucht hatte.

Das Gründungsmitglied hatte Sunrise Avenue 2007 im Streit verlassen. „Es war die schwerste Zeit in unserer Geschichte. Wir haben uns vor Gericht gesehen, haben uns bekämpft. Wir haben uns gehasst und gestritten. Aber wir haben gesehen, dass aus Feinden auch wieder Freunde werden können“, erzählt Haber von der Aussprache. „Einen besseren Ort als Köln, um mit uns noch einmal zu spielen, gibt es nicht.“

report-K.de, 24. August 2022

Schon drei Tage später stand das kurzfristig gebuchte Konzert in Leipzig an. Im Golden Circle – näher dran geht nicht. Bei „Home“ gingen, wie jedes Mal, überall die Handy-Taschenlampen an und wenn man vom Golden Circle aus einmal die Ränge entlangschaut bekommt man ein ungefähres Gefühl davon, wie viel beeindruckender das von der Bühne aus wirken muss. Wenn man da steht und weiß „die tun das für uns“. Natürlich habe ich mir meinen Platz auf der Bühnenseite gesucht, auf der die Keyboards stehen. Ja, Samu Haber ist ein toller Typ, aber Osmo Ikonen… hach ja, den mag ich eventuell ein winziges bisschen lieber.

Nach fünf Konzerten in gut zwei Wochen hatte ich einen massiven Konzert-Hangover. Wenn man abends zu Hause auf dem Sofa hockt statt in einem minimalistischen Hotelzimmer oder in einer riesigen Arena. Und dann habe ich noch ein Ticket gekauft. Ich wollte später nicht „hätte ich mal“ sagen müssen.
Nach zwei „normalen“ Wochen ging es nach Frankfurt/Main. Ein Konzert zum Genießen. Wieder mittendrin im Publikum. Und von dort aus mit einer Mischung aus Vorfreude und „ich will nicht, dass es vorbei ist“ weiter nach Düsseldorf.

Bye, bye Hollywood Hills…

… oder: Abschied von meiner Lieblingsband: Sunrise Avenue (Teil 1)

Im Zuge einer plötzlichen „einfach machen“-Attacke habe ich gerade ein Konzertticket gebucht.

Ein Konzert?
Ist nicht wirklich was besonders Aufregendes/Mutiges/Besonderes – oder?

Vielleicht nicht, aber es ist ein Konzert der Abschiedstour meiner derzeitigen Lieblingsband (ich habe ja auch erst 5 Tickets für diese Tour gekauft…) und was mein Gefühlsleben angeht kann man das wohl mit der ersten großen Liebe vergleichen. Man liebt heiß und innig und kann sich ums Verrecken nicht vorstellen, dass mal jemand anders diesen Platz einnehmen kann. Und zwar unabhängig davon, ob man tatsächlich zusammen ist oder den großen Schwarm anhimmelt (Er will mich nicht? Ich werde mich NIE in jemand anderen verlieben! Jaja, x potentielle „für immer“-Kandidaten später schüttelt man über sich selbst den Kopf. Realität – kannste dir nicht ausdenken.)

Ich habe die letzten 16 (!!!) Jahre mit dieser Band und der Musik verbracht – faktisch ist das die längste Beziehung, die ich je hatte – und ich hätte mir bis zu diesem schicksalhaften Dezembertag 2019, an dem Sunrise Avenue in Helsinki vor die Presse traten und Samu Haber das Ende der Band verkündete, nicht vorstellen können, dass es irgendwann vorbei sein würde. Ich meine, natürlich weiß ich, dass Bands irgendwann aufhören (wenn sie nicht die Rolling Stones oder die Scorpions sind) aber für Sunrise Avenue und speziell Samu Haber lief es von außen betrachtet super, doch obwohl es heißt „wenn es am Schönsten ist, soll man gehen“ spürt man doch in der Regel vor dem Ende schon einen gewissen Verfall. Mittlerweile hat Samu Haber seine Biografie auf den Markt geworfen und damit mir (und vielen anderen) die Möglichkeit gegeben, das alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Frag dich mal wie das ist, wenn du den Traum hast, dein Geld als Musiker zu verdienen. Wenn dieser Traum dann wahr wird und diese Nummer gefühlt von Jahr zu Jahr größer wird bis sie schließlich Sphären erreicht, an die du im Traum nicht gedacht hast. Und wie es ist, wenn alle auf dich gucken, darauf warten, dass du den nächsten Superhit ablieferst, das nächste Album, die nächste Tour, die Fernsehauftritte, dieser ganze Rattenschwanz an Verpflichtungen, die das nach sich zieht. Und ehe du dich versiehst, ziehen sie von allen Seiten an dir und du kannst niemandem mehr gerecht werden. Am wenigsten dir selbst.

Im ersten Moment denkt man „das ist jetzt aber Jammern auf sehr hohem Niveau“ aber selbst ich in meinem Durchschnittsleben habe so oft keinen Bock mehr auf das Leben, das ich führe, wenn ständig irgendjemand etwas von mir erwartet und kein Raum mehr für mich bleibt.

Aber zurück zum Thema.

Als im Nachsatz zum Band-Aus bekannt gegeben wurde, dass es eine Abschiedstour gibt war sofort klar, dass ich alles mitnehme was geht (also halbwegs erreichbar ist).
Hamburg, Hannover, Köln, Düsseldorf.
Zack – gebucht.

Zusatzkonzert in Hamburg.
Zack – gebucht.

Helsinki? Ticket, Flug, Hotel… – sei vernünftig –
Nicht gebucht.
Aber hey noch 5x die Lieblingsband live sehen, das wird super.

Und dann kam Corona.
Mein erster Gedanke: alles umsonst. Sie werden die Tour absagen. Sie wollen ja schließlich aufhören.
Aber die Band gibt ihren Fans ein Versprechen: Wir ziehen es durch – wann immer das sein wird.

Nach diversen Verlegungen geht es 2022 endlich los.

Internet: Es gibt noch Tickets für Helsinki.
Herz: Kann ich mir das leisten?
Dein ganzes Geld geht dabei drauf, aber: Ja, könntest du.
Kopf: Sei vernünftig.

Nicht gebucht.

(Ich bereue es gerade – aber sowas von…)

Das erste Konzert in Deutschland in Hannover. ZAG Arena.
Unbeschreiblich.
Oder – um es mit den Worten von Samu Haber zu sagen: „Ich habe Hühnerhaut.“

Da sitzen/ stehen wir – alle 11.000 in der ausverkauften Halle – voller Vorfreude, Dankbarkeit und Abschiedsschmerz und als die Band die Bühne betritt und die ersten Takte von „Thank you for everything“ ertönen, geht ein Jubel durch die Halle, den ich vorher noch auf keinem Konzert von ihnen erlebt habe – und das hier ist mein 10. Wir schauen auf die Bühne, sehen Samu Haber im Original auf der Bühne und gleichzeitig auf der großen Leinwand hinter der Band. Wir sehen wie er da steht, den Jubel hört und dabei ein Lächeln im Gesicht hat aus dem hervorgeht, dass es ihm genauso geht wie uns. Dass wir jetzt, ganz langsam, alle begreifen, dass hier etwas großes zu Ende geht.

„Es ist spürbar, neben der normalen Konzerteuphorie und der puren Freude, alte Klassiker gemeinsam live zu erleben, zieht sich eine Trauer durchs Publikum.“

Redaktionsnetzwerk Deutschland, 15.8.2022

Zwei Tage später. Hamburg, Barclays Arena.
Ein ganz anderes Gefühl. Die Halle ist voll, aber es herrscht nicht dieselbe Energie wie in Hannover. Es ist irgendwie ruhiger (obwohl es immer noch echt laut ist) und ein bisschen steif. Aber ich bin ja nicht wegen des Publikums da, sondern wegen der Band und deren Auftritt genieße ich.

Den Tag danach. Nochmal Hamburg.
Hannover war geil, aber das Zusatzkonzert in Hamburg… Wow. Während man gestern auch im Sitzen noch auf die Bühne sehen konnte, hielt es heute schon beim ersten Song so gut wie niemanden mehr auf dem Stuhl. Singen, tanzen, hüpfen – geht alles auch auf den Rängen wie man heute sehen konnte. Heiß, heißer, Hamburg.

Heute…
… sitze ich zu Hause und vermisse die große Halle. Ich leide an Konzert-Hangover. Aber hey, nächste Woche in Köln.

Hm…

Ist eigentlich noch irgendwo ein Konzert am Wochenende im August?
Gibts dafür noch Tickets?
Bin ich bescheuert genug, mich mit meinem 9 Euro Ticket dafür gefühlt tagelang in Zügen aufzuhalten?
Ja. JA. JA!

Ist es unvernünftig dafür jetzt Geld auszugeben? In Zeiten von steigenden Lebensmittelpreisen, explodierenden Gaspreisen und einem Job weniger?
Definitiv.

Aber das Leben hat mich eine Sache wieder und wieder gelehrt: Wir bereuen immer die Dinge am meisten, die wir NICHT getan haben.
Siehe weiter oben im Text.

Zack – gebucht.

Mann: „Du hast doch einen an der Marmel.“
Ja. Ist mir aber egal. Kann ich ganz gut mit leben.

Vater: „Verstehen muss ich das aber nicht, oder?“
Nö. Du musst mich nur zum Bahnhof bringen.

Schicksal?

Jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen, nur die Größe ist unterschiedlich. Auch die Sichtweise. Denn was für den einen ein „dicker Brocken“ ist, ringt einem anderen vielleicht nur ein müdes Lächeln ab. Das hängt mit der Resilienz der jeweiligen Person ab. Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, schwierige Situationen zu überstehen ohne dabei einen Knacks zu bekommen.

Wie oft hab ich in meinem Leben innegehalten und es verflucht. Sich bei einem Praktikum richtig reinhängen, seinen „Job“ gut machen und den Ausbildungsplatz mit einer fadenscheinigen Begründung nicht bekommen. Sich „schon wieder“ den falschen Typen ausgesucht haben. Einen Job, den man liebt, nicht weitermachen können weil die Gesundheit nicht mitmacht. Und einfach nie, nie so richtig wissen, wer ich bin und was und wohin ich will.
Ich weiß immer noch nicht, wer ich bin und wohin ich im Leben will, aber ich weiß (und wusste irgendwie immer) dass, egal welchen Knüppel mir das Leben als nächstes zwischen die Beine schmeißt, sich immer ein Weg finden wird, auf dem ich weitergehen kann. Zugegeben, manchmal sehe ich ihn nicht sofort oder er ist etwas marode, aber es geht weiter. IMMER.
Man könnte also sagen, meine Resilienz ist ziemlich ausgeprägt.

Neulich habe ich mich mit einem Menschen getroffen, der mir sehr wichtig ist und den ich, seit ich ihn kenne, wie einen Fels betrachtet habe. Als jemanden, der mit beiden Beinen fest und unterschütterlich im Leben steht. Das tue ich heute noch, obwohl wir uns mittlerweile so gut kennen, dass ich um seine Schwachstellen weiß und trotzdem überrascht bin, wenn für einen kurzen Moment durchschimmern. Wir standen zusammen und er war dabei, mich auf den neuesten Stand zu bringen was so sein Leben angeht als er innehielt und sagte: „Ich fange so langsam an mich zu fragen, was mein Schicksal mir damit sagen will.“

Mit dem Schicksal ist das so eine Sache. Die einen sind fest davon überzeugt, dass es sowas wie Schicksal gibt während die anderen davon überzeugt sind, dass man irgendwie selbst für alles Glück und Unglück in seinem Leben zumindest mitverantwortlich ist. Zumindest ist “Schicksal” eine gern genutzt Erklärung wenn Dinge passieren, die man sich logisch nicht erklären kann.
Tatsächlich ist „Was will das Schicksal mir damit sagen?“ eine Frage, die ich mir früher auch immer dann gestellt habe, wenn ich das, was in meinem Leben gerade schief lief, als extrem ungerecht und „zuviel“ für mich empfunden habe. Mittlerweile stelle ich sie mich nicht mehr, was nicht heißt, dass es keine Situationen gibt, in denen ich das Gefühl habe, dass mir alles zuviel ist. Ich habe nur irgendwann für mich festgestellt, dass ich mich zu sehr in Grübeleien verzettel und sich die Phase, in der ich alles als doof, ungerecht und schwer erträglich empfinde, dadurch verlängert. Statt dessen erlaube ich mir einen Tag, an dem ich alles mal so richtig scheiße finde, an dem ich mir ein besonderes Essen und/oder ein „Trostgeschenk“ mache und frage mich dann, wie es am besten weitergehen kann.

Ich habe gerade einen Job verloren. Einen, den ich gerne gemacht habe und bei dem ich dankbar bin, dass ich die Chance bekommen habe ihn machen zu dürfen obwohl ich aus einer ganz anderen beruflichen Richtung komme. So richtig überrascht hat mich das nicht, trotzdem gab es diesen winzigen Schockmoment, an dem die Zeit für einen Augenblick stehenblieb und ich dachte „und jetzt?“. Aber beinahe im selben Moment kam mir der Gedanke, dass ich nun frei bin. Ein halber Tag mehr Freiheit um Dinge zu tun, auf die ich Bock habe.

Ich würde jetzt nicht behaupten, dass ich zu 100% daran glaube, dass das Schicksal für alles verantwortlich ist, was in meinem Leben passiert, ich bin allerdings davon überzeugt, dass alles, was in meinem Leben passiert, einen Sinn hat (auch wenn sich mir dieser nicht immer auf den ersten Blick erschließt) und dass das Leben einem nur das zumutet, was man aushalten kann – und das ist in der Regel deutlich mehr, als man selbst vermutet.

Mein Schicksal ist offensichtlich gerade der Meinung, dass ich etwas Bewegung in meinem (Arbeits-)Leben nötig habe. Was auch immer da auf mich zukommt – ich bin bereit.

Blog like nobody’s reading…

Blogge als würde niemand es lesen.

Dieser kleine Satz klingt so leicht und wie oft habe ich mir schon meinen alten Blog zurückgewünscht, in dem ich einfach drauflos geschrieben habe. Wo ich alles, was mir gerade durch den Kopf ging, hemmungslos in Worte gefasst und der Öffentlichkeit mitgeteilt habe. Zugegeben, es war eine sehr kleine Öffentlichkeit, aber es gab Menschen, die regelmäßig meine Beiträge gelesen und kommentiert haben. Besonders in Erinnerung wird mir der Kommentator mit dem Namen „Sternenschein“ bleiben, ein älterer Herr in den 70ern, der selbst regelmäßig Beiträge verfasst und mich über Jahre begleitet hat bis er schließlich starb.
Der Blog wurde irgendwann ohne Vorwarnung seitens des Betreibers vom Server genommen und ging in die ewigen Jagdgründe des WWW ein. Durch Tipps einiger computernerdiger Mitblogger konnte ich ein paar Artikel retten was nichts an der Tatsache änderte, dass ich am Boden zerstört war weil ich das Gefühl hatte, ein Teil meines Lebens sei mir genommen worden.
Lang ist’s her…

Mittlerweile bin ich eine begeisterte Instagrammerin und poste – auf gut deutsch gesagt – so ziemlich jeden Scheiß. Ich liebe es auch, dort anderen zu folgen und mir anzuschauen, was die so machen. Welche Bücher sie lesen, was sie kochen, wie sie leben.
Um ehrlich zu sein, genau dafür liebe ich das Internet. Weil ich so interessiert an anderen „normalen“ Menschen bin und ich so die Möglichkeit habe, einen kleinen Einblick zu bekommen. Ich bilde mir nicht ein, die Menschen hinter den Accounts zu kennen, wobei ich den einen oder anderen tatsächlich gerne kennenlernen würde falls sich die Gelegenheit ergibt.

Auf Instagram poste ich teilzensiert. Vermutlich nicht zuletzt, weil etwa 70% meiner Follower im selben Dorf wohnen oder mich zumindest tatsächlich persönlich kennen. Aber je älter ich werde, umso mehr frage ich mich, warum ich das mache. Klar, ich möchte niemanden bloßstellen oder sonstwie Persönlichkeitsrechte verletzen, aber was mich betrifft… könnte da meine kleine Instagramwelt – oder auch mein Umfeld im Allgemeinen – nicht ein bisschen mehr Offenheit vertragen? Wie würde ICH mich fühlen, wenn ich wieder ein bisschen mehr „frei von der Leber weg“ erzählen würde?

Ich weiß nicht, ob es am Alter liegt oder ob auch die Erfahrungen, die man im Leben so macht, dabei eine Rolle spielen, aber was mich betrifft kann ich sagen, dass es mich zunehmend weniger kratzt was andere über mich denken. Zumindest bei den meisten Menschen, bei denen, die mir nahe stehen ist das ein bisschen anders, aber auch hier ändert sich das gerade massiv.
Denn, mal ehrlich, haben wir bei manchen Dingen nicht hin und wieder das Gefühl, dass es nur uns so geht? Und wäre es nicht schön zu wissen, dass wir damit eben nicht allein sind? Es braucht doch nur jemanden, der mutig genug ist, den ersten Schritt zu machen um andere zu ermutigen es nachzumachen.
Vermutlich wird es Menschen geben, die hinter meinem Rücken über mich reden und sich darüber lustig machen, was ich alles nicht schaffe obwohl ich ständig davon erzähle. Sollen sie doch. Scheitern gehört zum Leben, man wächst daran mehr als wenn immer alles glatt geht, und wie blöd wäre es denn, es nicht wenigstens zu versuchen?

Also habe ich beschlossen, mutiger zu sein. Offener zu sein.
Ein bisschen „back to the roots“ ein bisschen mehr „blog like nobody’s reading“.
Und ganz viel „sch*** drauf was andere denken“.
Ich muss nicht von allen gemocht werden – nur von denen, die mir wichtig sind (und die kennen meine Macken schon).

Die Schublade, in die wir am besten passen, ist unsere eigene

Wie so oft, wenn ich mit Big zusammensitze und wir uns über Gott und die Welt unterhalten, habe ich mir gestern die Frage gestellt, was wir eigentlich sind. Denn egal wie ich es drehe und wende, ich komme jedes Mal an den Punkt, an dem ich feststelle, dass „Freunde“ für mich irgendwie nicht die Schublade ist, die unsere Beziehung definiert.
Ich weiß, dass sich allein schon beim Wort „Schublade“ viele entsetzt an den Kopf fassen, aber macht euch mal bewusst, wie sehr wir alle unser Leben in Kategorien einteilen ohne es zu merken. Und das aus gutem Grund. Denn wenn wir uns immer auf die Vielfalt konzentrieren würden, wäre unser Gehirn in einem Zustand ständiger Überforderung.


Ein Beispiel:
Familie: alle, mit denen wir verwandt sind, egal ob blutsverwandt, angeheiratet, adoptiert
Freunde: die, denen wir nahestehen
Bekannte: die, mit denen wir hin und wieder etwas unternehmen, mit denen wir aber keine engere Bindung haben


Logisch? Auf den ersten Blick vielleicht. Aber was ist, wenn du und deine beste Freundin gefühlt jeden Tag eures Lebens miteinander verbracht habt und ihr gegenseitig immer bei Familienfeiern dabei seid und ihre Mutter sich besser um dich kümmert als deine eigene es je getan hat? Ist es dann immer noch „nur“ Freundschaft oder schon sowas wie Familie?
Und was ist mit dem Ex, von dem ihr euch nur getrennt habt, weil ihr als Paar nicht funktioniert aber ansonsten hervorragend miteinander klar kommt. Ist der dann automatisch „nur“ ein Freund?

Big hat mir das Herz gebrochen. Mein theatralisches junges Ich würde hinzufügen: „Mehrfach“. Und das weiß er, denn ich habe es ihm gesagt. Auf der anderen Seite hat er aber auch eine bei mir „repariert“ was andere vor ihm kaputt gemacht haben. Auch das habe ich ihm gesagt. Beides war, aus heutiger Sicht betrachtet, in einem anderen Leben. Mittlerweile sind wir fast zwei Dekaden älter, reicher an Erfahrung und haben einen anderen Blick auf die Dinge. Dass er mir das Herz gebrochen hat ist, ebenso wie die Reparaturgeschichte, weiterhin Fakt, aber ohne diese Erfahrungen wäre ich nicht an den Punkt gekommen, an dem ich jetzt bin.

Wir haben uns eine Zeit lang aus den Augen verloren und so sehr ich auch in meinem Gedächtnis krame, ich kann mich nicht erinnern, wann und wie genau wir wieder zusammengefunden haben. Aber seit dem ist er mir enorm wichtig geworden.

Man sagt ja oft „mit meiner/m besten Freund/in kann ich über alles reden“, aber Hand aufs Herz, redet ihr dann wirklich über ALLES? Ich erzähle meiner besten Freundin schon eine Menge, aber ALLES erzähle ich ihr nicht. Bei Big hingegen komme ich schon sehr nahe dran. Manches kitzelt er (im übertragenden Sinn) aus mir raus, beim Rest sträube ich mich noch ein wenig weil ich manchmal unsicher bin, wieviel Ehrlichkeit wir untereinander aushalten.
Spoiler: mehr als ich dachte (das stelle ich zumindest immer wieder fest)
Hm, jetzt drängt sich mir gerade die Frage auf, wieviel „alles“ er mir zumutet. Mehr als früher, soviel ist mal sicher. Hin und wieder denke ich auch „mehr als ich vertragen kann“, was sich aber jedes Mal als falsch herausstellt.

Big bringt mich an meine Grenzen. Er schiebt mich bis an diese Tür, an die ich ein „bis hier her und nicht weiter“-Schild gehängt habe, woraufhin ich in der Regel erstmal einen Schritt zurück mache nur um im nächsten Moment das Schild abzuhängen und durch diese Tür hindurchzuspazieren. Er lässt mich wachsen. Das sollte ich ihm vielleicht auch mal sagen. Komplimente werden ja ohnehin viel zu selten verteilt.
Obwohl wir so verschieden sind (sind wir das wirklich oder kommt es mir nur so vor?) sind wir uns in vielen Dingen überraschend ähnlich und wenn es eine Schublade gibt, in die wir ganz hervorragend hineinpassen, dann ist das unsere eigene.

Der Speck muss weg…

Ich esse gerne. Ich esse gerne viel und vor allem esse ich am liebsten die falschen Dinge. Chips. Torte. Eis. Auflauf, großzügig mit Käse überbacken.
Morgens, mittags, abends – und gerne auch zwischendurch.
Dass das auf Dauer nicht gesund ist, weiß ich und natürlich spiegelt sich das auch in meinem Gewicht wieder. Ich sehe ja nicht umsonst so aus, wie ich aussehe.

Wie viele andere Menschen mit Übergewicht habe ich mehr als einmal versucht, dieses loszuwerden. Ich habe mich tagelang von Shakes ernährt, mich für vier Monate der Ernährungsmafia (ihr wisst schon…) angeschlossen, mich mit einer Gruppe von Bloggern mehreren Abnehmchallenges gestellt und unterschiedliche Ernährungsformen ausprobiert. Ich hatte mit allem davon Erfolg, aber auf Dauer habe ich nichts durchgehalten.

Warum nicht?
Weil ich gerne esse. Und weil ich zwei Dinge absolut nicht dauerhaft ertrage: Bücher lesen zu “müssen” und Vorschriften darüber was ich essen darf und was nicht.
That’s it.

Man sollte meinen, dass ich so langsam vom Scheitern die Nase voll habe, aber: NEIN. Ich finde ohnehin, dass man
A) erst gescheitert ist, wenn man aufhört es zu versuchen
und
B) Scheitern an sich nichts Schlimmes ist, denn jeder von uns hat Grenzen und sich überhaupt erstmal dorthin vorzuwagen, ist ja auch schon eine Leistung.

Nachdem ich mir in 7 Tagen Urlaub satte 4,3kg draufgefuttert habe, war ich fest entschlossen, diese so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Da ich seit einer Weile wieder ganz old school Kalorien zähle (was auf Grund mangelnder Disziplin und Stress bislang eher so semi-erfolgreich war), machte ich mich in den unendlichen Weiten des WWW auf die Suche, nach kalorienarmen Rezepten, die schnell, einfach, lecker und aus möglichst “normalen” Zutaten bestehen. Ich brauche richtiges Essen und Smoothiebowls mögen zwar gut aussehen, fallen für mich aber allenfalls in die Kategorie “Nachtisch” und wenn ich “Chiasamen” und “Flosamenschalen” schon höre stellen sich mir sämtliche Nackenhaare hoch. Abgesehen davon, habe ich ja noch einen Mann zu Hause und definitiv keine Lust, für ihn extra zu kochen. Ich meine, ihm zusätzlich ein Schnitzel in die Pfanne zu werfen ist ja nicht das Problem. Aber mir einen Salat schnibbeln und für ihn Schweinebraten mit Knödeln und Rotkohl kochen? No way. Mitgefangen, mitgehangen.

Wo waren wir? Ach ja, die Rezeptsuche im Internet. Der Vorteil an Foodbloggern auf Instagram ist ja, dass immer gleich auch ein Foto dabei ist. Sieht lecker aus – was ist das? Schnell den Text überflogen, in Favoriten gespeichert, fertig. Sogar gleich mit Kalorienangabe (natürlich nur, wenn es sich um die Foodblogger handelt, die sich mit leckerem Gewichtsverlust beschäftigen). So landeten zig Rezepte in einer Instagram-Collection und ich ging einkaufen.
Mein Kühlschrank ist nun gefüllt mit Quark, Frischkäse, Hüttenkäse, Kochschinken und Eiern sowie diversen Einmachgläsern mit von mir vorbereitetem Essen “to go” oder “to in der Mikrowelle aufwärmen” und im Gefrierschrank stapelt sich tonnenweise TK-Gemüse.
Gemüse!!!
Es ist nicht so, dass ich Gemüse nicht mag. Ich bevorzuge halt andere Lebensmittel. Fleisch und Nudeln zum Beispiel. Oder Brot. Ich könnte mich tagelang von Brot ernähren ohne dass mir etwas fehlen würde. Mit Wurst, Käse, Lachs, Marmelade oder Nutella. Kein Problem. Nicht gesund, aber unkompliziert und lecker.

Die ersten Rezepte sind gekocht, probiert und für gut (oder weniger gut) befunden worden und wandern in den Rezepteordner. Also, den richtigen Ordner, zum Anfassen, mit Rezepten, die auf Papier geschrieben wurden. Die haben nämlich den Vorteil, dass sich da kein Bildschirm in den Off-Modus schaltet wenn ich mal zehn Sekunden nicht draufschaue.

Die erste Woche nach dem Urlaub ist rum und ich bin schon 3 kg wieder losgeworden. Allein durch Essen. Viel Essen. Leckeres Essen.
So kann es weitergehen.

gelesen: Wozu nach den Sternen greifen, wenn man auch chillen kann?

Schule fertig, und dann?
Während die Einen ihr Ziel längst fest vor Augen haben, sind andere noch auf der Suche. Gerade das stellt in der heutigen Zeit oft ein Problem dar: Soll ich Studieren und wenn ja, welches Fach, an welcher Uni? Soll ich eine Ausbildung machen? Oder vielleicht doch erstmal ein Jahr Pause – Reisen, ein Praktikum, ein soziales Jahr?
Ulrike Bartholomäus hat sich mit der Frage beschäftigt, warum es den Schulabgängern oft so schwer fällt, sich zu entscheiden. Dafür hat sie Interviews mit ihren „Forschungsobjekten“ geführt, bzw. sie von Gleichaltrigen befragen lassen, mit Experten gesprochen und lässt uns Leser nun an ihren Ergebnissen teilhaben. Auf teils erheiternde, teils erhellende Art und Weise bekommen wir Einblicke in das Gehirn von Heranwachsenden und Hinweise für Do’s und Don’ts im Umgang mit ihnen.

Wie ich zu diesem Buch kam – und warum ich es lesen MUSSTE
Dieses Buch ist mir durch Zufall in die Hände gefallen. Während meine Neffen sich mit Vater und Onkel beim Mario Kart an der Switch vergnügten und meine Schwester chillend auf dem Wohnzimmerfußboden lag, griff ich nach einem der Bücher, von denen immer ein paar unter dem Couchtisch zu finden sind. Was mir sofort ins Auge fiel, waren nicht die Illustration oder der Titel. Es war der Untertitel. „Die große Orientierungslosigkeit nach der Schule“.
Auf einen Schlag fühlte ich mich in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts versetzt, das Jahrzehnt, in dem ich die Schule beendete und absolut keine Ahnung hatte, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Ich hatte nach der Realschule noch ein Jahr „Höhere Handelsschule“ drangehängt und da ich immer noch keinen Plan hatte, folgte ich erstmal dem Rat meines Vaters. Der da lautete: „Lern was Anständiges, geh ins Büro“. Die vier Wochen beim Rechtsanwalt, inklusive einer Berufsschulklasse voller Zickenweiber, waren die Hölle. Mein Traum war das Abitur (aber weder mein Erziehungsberechtigter noch der Direktor des örtlichen Gymnasiums hielten mich für qualifiziert). Ich zog um, überbrückte die Zeit bis zum nächsten Schuljahr mit einem Praktikum im Kindergarten (und wusste dann, dass ich das NICHT machen will) bevor ich mich am Gymnasium versuchte, das ich mit der Fachhochschulreife verließ. Natürlich hatte ich immer noch keine Ahnung, was ich machen wollte. Probierte herum, brach eine weitere Ausbildung ab und stand mit 22 plan- und ziellos im Nirgendwo. Ich machte mich schlau, fand raus, dass eine Ausbildung zur Landwirtin mit meinem Schulabschluss in 2 Jahren zu machen war und dachte „okay und wenn das nichts ist, habe ich wenigstens einen Abschluss und kann danach immer noch was anderes machen“. Es stellte sich heraus, dass das aber genau mein Ding war…
Was hätte ich drum gegeben in der Zeit auch nur einmal das Gefühl vermittelt zu bekommen, „normal“ zu sein. Ich hatte den Eindruck, alle um mich herum wüssten ganz genau, was sie wollten. Alle – außer mir.

„Reife braucht Zeit, wer nicht sofort durchstarten möchte, sollte sich eine Auszeit nehmen. Nur monatelanges Chillen ist Gift fürs Gehirn.“

Ulrike Bartholomäus

Das Buch und ich
Der erste Teil des Buches ist mit „die große Orientierungslosigkeit“ überschrieben und beschäftigt sich mit den diversen Faktoren, die die Entscheidungsfindung der Jugendlichen beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel das Alter (das durch das Abitur nach 12 Jahren noch mehr in den Fokus rückt) und das Gefühlschaos in dem man sich in dieser Zeit des „Umbaus“ vom Kind zum Erwachsenen befindet. Und dann ist da plötzlich diese unfassbare Menge an Möglichkeiten, die einem offen stehen und es schwer machen, nun ausgerechnet die eine Sache zu finden, die zu einem passt. Es kommen Erinnerungen an die Zeit hoch, in der man selbst vor der Wahl stand, erst recht, wenn man selbst zur Fraktion der „Ahnungslosen“ gehört hat. Deshalb konnte ich da gut nachvollziehen, dass man sich erstmal entscheidet, sich noch nicht zu entscheiden. Zumal da ja noch die eigenen Eltern sind, die ihre ausgeprochenen oder unausgesprochenen Wünsche haben und sich schwer damit tun zu verstehen, was ihre Kinder umtreibt, und die – wenn das Kind nicht in die Puschen kommt – anfangen, ihrem Sprössling auch hier die Entscheidung abzunehmen bzw. ihn in die, vermeintlich richtige, Spur zu bringen. Aber nicht erst seit dem Lesen dieses Buches finde ich, dass man hin und wieder einen Schritt zurücktreten sollte um über die eigenen Erwartungen an sich und andere nachzudenken und sich zu fragen, in wie weit sich dort Überschneidungen finden lassen. Wir sollten wieder lernen, andere Menschen so anzunehmen, wie sie sind ohne ihnen unsere Vorstellung davon, wie sie zu sein haben, aufzudrängen.
Ein weiterer, nicht unerheblicher Faktor ist die virtuelle Welt. Sie bindet Energie und die Jugendlichen stehen unter permanentem Druck, sich von ihrer allerbesten Seite zu präsentieren – ihr zukünftiges Leben muss dafür etwas zu bieten haben und es muss perfekt sein, etwas anderes kommt nicht in Frage (und, ganz ehrlich, das geht nicht nur Jugendlichen so, sondern auch Erwachsenen, die sich in der virtuellen Welt herumtreiben). Aber auch Scheitern gehört dazu. Denn jede getroffene Entscheidung kann sich früher oder später als falsch erweisen. Dabei ist es egal ob man die Entscheidung aus eigenem Antrieb getroffen oder sich dazu hat drängen lassen. Manchmal passen Vorstellung und Realität einfach nicht zusammen – dann ist es Zeit für eine Kurskorrektur. Scheitern ist nicht schlimm – es gehört zum Leben dazu.
Die Kombination aus den Geschichten der Jugendlichen und den wissenschaftlichen Erläuterungen lässt die Thematik lebendig werden und fesselt den interessierten Leser von der ersten Seite an. Selbst, wenn man nur noch im Herzen jugendlich ist, kann man hier einiges mitnehmen.

Im zweiten Abschnitt geht es um das Erwachsenwerden. Vor allem der Teil, in dem es darum geht wie (und wie langsam) sich das menschliche Gehirn entwickelt und die Verknüpfung von Risikobereitschaft und Folgeeinschätzung fand ich hoch spannend. Erwachsen werden bedeutet herauszufinden, wer man ist und das geht am Besten durch Ausprobieren. Durch starke Zugangsbeschränkungen in beliebten Studiengängen wie Medizin gehen jedoch viele Möglichkeiten zum Ausprobieren verloren. Auch in diesem Abschnitt werden Misserfolge thematisiert, verbunden mit der Frage, was es braucht, um Krisen gut zu meistern. Stichwort: Resilienz. Die psychische Fähigkeit, gut mit Krisen umzugehen wird hier zwar sehr kompakt aber mit den wesentlichen Punkten behandelt. Ebenfalls nicht außer Acht lassen darf man die Suchtgefahr, die mit der zunehmend digitalen Welt einhergeht.

Im abschließenden dritten Teil, der sich vor allem an Eltern richtet, wird aufgezeigt, wie Eltern in dieser Phase der Entwicklung und der Entscheidungen am besten mit ihren Kindern umgehen sollten. Eltern müssen, so schwer es ihnen fallen mag, lernen, ihre Kinder ihren eigenen Weg finden zu lassen. In ihrem Tempo, auf ihre Art und Weise. Es geht darum zu reflektieren, ob es wirklich um die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder geht oder doch eher darum, dass das Kind den, aus Elternsicht, richtigen Weg entschlägt. Vielleicht ist es manchmal besser, sich rauszuhalten und eine andere erwachsene Bezugsperson mit den Jugendlichen ins Gespräch zu bringen um einen anderen Blick auf die Situation zu bekommen.

Fazit:
Es fällt mir schwer das, was mir bezüglich des Buches durch den Kopf geht, in Worte zu fassen. Zum Einen habe ich es als sehr beruhigend empfunden, dass meine unkoordinierte Suche nach meinem Weg keine Ausnahme darstellt und ich, ohne es zu wissen, damals wohl einiges richtig gemacht habe. Ausprobieren, scheitern, einen neuen Weg finden, weitergehen.
Wenn die Schule vorbei ist stolpert man aus einem durchgetakteten Leben in ein Labyrinth aus Entscheidungen, die man selbst treffen muss. Das ist anstrengend. Das ist unbequem. Aber wir alle müssen / mussten da durch.
Das Buch hilft im Ansatz zu verstehen, was Jugendliche in dieser Phase ihres Lebens durchmachen, vor welchen Problemen sie stehen und wieso sie sich nicht dazu in der Lage sehen, Entscheidungen zu treffen. Mit diesem Wissen kann man (hoffentlich) gelassener mit dieser Situation umgehen ohne in die diversen Fallen zu treten, die sich Eltern in den Weg stellen.

Wozu nach den Sternen greifen, wenn man auch chillen kann?
von Ulrike Bartholomäus
erschienen am 01. April 2019 im BerlinVerlag
304 Seiten, 12,00 €
ISBN 978-3-492-31779-5

#alke.liest : Lesemonat Februar

Der Februar war nass, grau und stürmisch. Aber nicht nur deswegen hatte ich eine Menge Zeit zum Lesen. Nein, auch das böse C hatte irgendwie seinen Weg zu mir gefunden und verschaffte mir 10 Tage Quarantäne (ich war ja der Meinung eine ganz „normale“ Erkältung zu haben, aber die regelmäßigen Tests waren da anderer Ansicht).
Ehrlich, ich bin wirklich gerne zu Hause und kann ganz gut mit mir allein klar kommen, aber dieses eingesperrt sein geht echt nur sehr begrenzt. Wie habe ich die ausgiebigen Spaziergänge mit Elsa vermisst und wie sehr habe ich den ersten genossen als ich wieder „frei“ war… Aber kommen wir zum Thema des Beitrags…

Statistik:
gelesene Bücher: 16
gelesene Seiten: 4.146

Hörbücher: 6
Hörzeit: 45 h 40 min

SuB-Entwicklung
1.2.22: 480 (Print und eBooks)
vom SuB gelesen: 11
Zugänge: 9 (2 Print, 6 eBooks) + 1 Hörbuch (zähle ich nicht zum SuB)
28.2.22: 478 (Print und eBooks)

Ich bin zufrieden – wie immer. Am Monatsende haben wir zu viert einen Buddyread zu „Bella Germania“ von Daniel Speck gestartet und es zeigt sich mal wieder, dass manche Buchschätze viel zu lange auf dem SuB herumstehen… Der SuB, ach ja. Er ist wieder um zwei ganze Bücher geschrumpft. So wird das definitiv nichts mit der deutlichen Verkleinerung… Und sonst? Ich habe im Februar meine Sachbuch-Liebe (wieder-)entdeckt. Die werden mich jetzt öfter begleiten, zumal ich am Wochenende wieder zwei von meiner Schwester mitgenommen habe. Auf eins hatte ich schon gewartet, das andere habe ich ihr spontan weggeschnappt bevor sie es lesen konnte (die Rache dafür, dass sie mir öfter mal meine neuesten Kochbuch-/Ernährungsbuch-Errungenschaften aus dem Haus wegkauft – wobei ich ihr ihres zurückgeben werde, obwohl es wirklich sehr interessant war).

#alke.liest : Lesemonat Januar

In meinen persönlichen Top 12 der Monate landet der Januar unangefochten auf dem 12. Platz. Der Dezember mit der ganzen Beleuchtung und der weihnachtlichen Vorfreude ist vorbei, das neue Jahr hat begonnen und ist in den ersten Wochen in der Regel vor allem eins: grau.
Da bleibt nicht viel als sich ein Buch, eine Decke und Fußwärmer in Form eines Hundes zu schnappen und es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen. Also habe ich genau das getan wann immer sich mir die Gelegenheit dazu bot. Meistens haben Elsa und ich vorher einen ausgiebigen Spaziergang gemacht, so dass wir uns die Couchzeit auch verdient hatten.

Statistik:
gelesene Bücher: 14
gelesene Seiten: 4164

Hörbücher: 9
Hörzeit: 55 h 02 min

SuB-Entwicklung
1.1.22: 482 (Print und eBooks)
vom SuB gelesen: 10
Zugänge: 8 (1 Print, 7 eBooks) + 1 Hörbuch (zähle ich nicht zum SuB)
30.1.22: 480 (Print und eBooks)


Ich bin mit meinem Lese-(Hör-)monat zufrieden, aber das bin ich auch, wenn ich „nur“ 2 Bücher geschafft habe, denn Lesen ist mein Hobby und soll Spaß machen. Ich werde oft gefragt, woher ich die Zeit nehme, aber Hörbücher höre ich überwiegend bei der Arbeit (bei 8 Stunden als Reinigungskraft im Kindergarten kommen da im Monat allein schon locker 32 Stunden zusammen), beim Auto fahren oder mal bei langen Spaziergängen. Auch wenn der Fernseher mal aus bleibt merkt man schnell, wie viel Zeit zum Lesen dann plötzlich da ist.
Mal abgesehen davon, ist Lesen meine Therapie. Wenn ich in meinem Gedankenkarussell stecke und mir alles über den Kopf zu wachsen droht, greife ich zu einem Buch und flüchte dann erstmal woanders hin.
Im Februar wird sicher auch noch viel Zeit zum Lesen sein, dann kommt der Frühling und ein Haufen anderer Ideen warten noch darauf, umgesetzt zu werden. Ich lasse mich überraschen.
Und jetzt geh ich lesen…